Bist du eher ein Dorf-Depp oder ein gebildeter Stadt-Mensch?

Die Zahl 18

18 mal…. Ja! Richtig gelesen. 18 mal bin ich in meinem Leben schon umgezogen. Die Liste meiner Wohnorte ist ein kunterbunter Mix der deutschen Bundesländer und vor allem ein krasser Gegensatz zwischen kleinem Dorf und Großstadt. Geboren und aufgewachsen bin ich in der schwäbischen Kleinstadt Spaichingen. Das ist nicht nur die Heimatstadt von Erwin Teufel, des früheren langjährigen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, sondern auch die Geburtsstadt des aktuellen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Wenn ich auf der Vortragsbühne stehe, sage ich oft augenzwinkernd: „Da ja aller guten Dinge 3 sind, mal schauen, was aus mir noch wird….“

Aber Spaß beiseite …

Ich habe in Metropolen wie HamburgBerlin und Essen gelebt. In der wunderschönen Hansestadt Lüneburg lag meine Wohnung im Alten Kaufhaus (inzwischen ein Hotel), direkt am berühmten Stintmarkt. Dort, wo im Mittelalter der sogenannte Stint (ein kleiner, heringsartiger Fisch) gehandelt wurde und sich heute die längste zusammenhängende Kneipenmeile der Stadt befindet. Viele Deutsche kennen Lüneburg von der ARD-Vorabend-Serie „Rote Rosen“.
Und ich lebte im klitzekleinen 300-Seelen-Dörfchen Luhmühlen, in welchem sich einmal im Jahr die europäische Reit-Prominenz die Klinke in die Hand gibt. Und zwar immer dann, wenn das berühmt-berüchtigte Military-Reiten stattfindet. Heute heißt die Veranstaltung CCI Luhmühlen und gehört zu den wichtigsten Turnieren im Vielseitigkeitsreiten.

Und ganz im Sinne „Back tot he Roots“ habe ich seit über 10 Jahren in der kleinen schwäbischen Gemeinde Denkingen mein Zuhause gefunden. Das Dörfchen nennt sich: „die Sonnenstube Deutschlands“ und tatsächlich haben wir am Fuße der Schwäbischen Alb oft gutes Wetter.

Sag‘ mir, wo du lebst und ich sage dir, wer du bist!? Mutation vom Depp zur Intelligenzbestie und wieder zurück?

Bei dieser Wohn-Historie ist es doch nur logisch, dass ich beim Surfen auf ZDFheute mit großer Aufmerksamkeit den Artikel „Dorf-Deppen und offene Städter: Was ist dran?“ hängen blieb. Sollte ich etwa eine schizophrene Persönlichkeit sein, die je nach Wohnort vom Depp zur Intelligenzbestie mutiert. Beziehungsweise umgekehrt vom weltoffenen Städter zum griesgrämigen, verschlossenen Dörfler werde? In der Tat hatte ich einen solch‘ umgelegten Schalter in meinem Wesen bei keinem meiner Umzüge wahrgenommen. Und so ist der Artikel sicherlich auch nicht gemeint ….

12 Klischees über Stadt und Dorf

Im Gespräch mit der Stadtsoziologin Annette Spellerberg beleuchtet die Journalistin Nicola Frowein 12 Klischees über Stadt und Dorf.

  1. Das Leben in der Stadt ist anonym, auf dem Dorf herrscht mehr soziale Nähe.
  2. Auf dem Land ist jeder Mitglied in einem Verein.
  3. Das Leben auf dem Dorf ist preiswerter.
  4. Auf dem Dorf ist es ruhiger.
  5. Das Landleben ist gesünder und weniger stressig.
  6. Dorf-Menschen sind konservativer.
  7. Städter sind offener im Umgang mit Fremden.
  8. Städter sind gebildeter.
  9. In der Stadt gibt es mehr Kultur.
  10. Die Angst vor Kriminalität ist in der Stadt größer.
  11. Der Nahverkehr auf dem Land ist eine Katastrophe.
  12. In der Stadt gibt’s keine Parkplätze.

(Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/heute/stadtsoziologin-spellerberg-zu-klischees-ueber-leben-im-dorf-oder-in-der-stadt-100.html  vom 26.08.2018, 08.00 Uhr)

Bei dem einen oder dem anderen Klischee kann ich mir aufgrund der Trivialität ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Jupp, der Nahverkehr auf dem Land ist tatsächlich eine Katastrophe.

Und „Jupp“, in der Stadt gibt’s keine Parkplätze. Oder kaum. Oder nur nach langem Suchen. Oder man hat eben ein paar Schritte zu laufen und kann nicht direkt vor der Haustüre parken. (Was zugegebenermaßen viele meiner ‚Land-Freunde‘, die mich während einer meiner Großstadt-Phasen besucht haben, vor echte Herausforderungen gestellt hat).

Dorf-Menschen sind konservativer.

Was mich aus Sicht der Veränderungs-Psychologin aufhorchen lässt, ist das Klischee Nr. 6: Dorf-Menschen sind konservativer. Ist das wirklich so? In meinen Workshops und Vorträgen stelle ich oft die Frage, wie die Zuhörer ihre eigene Familie einschätzen würden: eher Veränderer- oder eher Bewahrer-Familie? Sicherlich werde ich zukünftig auch die Frage stellen, ob die Zuhörer auf dem Dorf oder in der Stadt wohnen. Und ob die These „Dorf-Menschen sind konservativer“ für sie und ihren Veränderungswunsch stimmen könnte. Und was sie dann tun müssten, um in Bewegung zu kommen.

Was andere über dich sagen, sagt mehr über sie selbst aus als über dich!

Für mich persönlich würde ich sagen: „Es trifft nicht zu, dass ich als Dorf-Mensch konservativer bezüglich meiner Veränderungswünsche bin.“ Das liegt sicherlich auch daran, dass ich viele Wohnorte und –arten kennengelernt habe und ich mich ehrlich gesagt nur wenig darum geschert habe, was andere über mich denken und sagen könnten. Und auch in meiner Herkunftsfamilie gab es kaum jemals eine Aussage wie „Tu das nicht! Was wohl die Nachbarn bzw. XYZ dazu sagen könnten!?“ Das waren eher die anderen – die Mitmenschen – die solche Aussagen an meine Eltern herangetragen haben – im abwertenden Sinne von „Eure Tochter ist schon eine Besondere….“. Für solche Aussagen aber gilt: Das, was andere sagen, sagt mehr über sie selbst aus, als über mich …. Warum wohl haben sie solche Sätze meinen Eltern gesagt? Welche Sehnsucht nach „Besonders sein“ wohl in diesen Menschen schlummert(e)?

PS – Postskriptum

Wo lebst du? Auf dem Dorf? In der Stadt?

Welcher Wunsch nach Veränderung steckt in dir, der vielleicht durch dein Umfeld gedeckelt wird? „Noch“ gedeckelt wird…?

Denk‘ mal drüber nach …