Behind the Scenes

Die Tanja erklärt Euch die Psychologie in der Corona-Welt!

 

Ihr Lieben,

gleich vornweg: ich bin keine Virologin. Und auch keine Ärztin. Und ich bin auch keine Expertin in Sachen „Weltwirtschaft“. Ich bin nur eine „kleine“ Diplom-Psychologin, die dir in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder mal einen Blick hinter die Kulissen schenken möchte. Was passiert da eigentlich aus psychologischer Sicht mit uns und was können wir tun, um zwischenmenschlich gut durch die Corona-Krise zu kommen?

Warum glauben eigentlich so viele, dass sie Recht haben?

In den 90er-Jahren studierte ich an der TU Berlin Psychologie. Gleich im ersten Semester machte ich im Fach ‚Statistik‘ Bekanntschaft mit den sogenannten Heuristiken. Heuristiken sind so etwas wie Faustregeln, die uns dabei helfen, Entscheidungen zu treffen. Und zwar Entscheidungen, wenn uns nur begrenztes Wissen und zudem auch wenig Zeit zur Verfügung steht. Also genau das, was wir jetzt gerade in der Corona-Krise erleben. Die Menschheit hat nur ein begrenztes Wissen zu dem Virus und Zeit gibt es gefühlt keine.

Wenn ich auf Facebook & Co den Diskussionen der Menschen folge, so stelle ich fest, dass fast alle ihre Meinung mit solchen Heuristiken untermauern. Die meisten nutzen die sogenannte Repräsentativitätsheuristik. Bedeutet: Eine einzelne Information verführt uns dazu, auf das große Ganze zu schließen. Dabei handelt es sich allerdings um einen klassischen und auch gut untersuchten Denkfehler (vgl. Tversky und Kahnemann).

Die Tanja braucht sich aus finanzieller Sicht keine Sorgen machen

Ein Beispiel: du weißt ja, dass ich Diplom-Psychologin und Autorin eines tollen Buches bin. Und aufgrund dieser Information schließt du vielleicht darauf, dass ich mir in Sachen Finanzen während der Corona-Krise keinen Kopf machen muss. Denkfehler. Irrtum!  Innerhalb von 1 Woche sind alle (!) meine Aufträge storniert worden. Wirklich alle! Und damit nicht genug. Seit letztem Jahr bin ich alleinerziehende Mutter. Finanziell hilft mir niemand. Das muss ich alleine schaffen. Da ich mich zudem als Freiberuflerin selbst versichern und auch für meine Rente vorsorgen muss, habe ich pro Monat ca. 3.000 Euro Fixausgaben. Wie schnell das Konto dann leer ist, das könnt Ihr an einer Hand abzählen. Übrigens: wir Freiberufler bekommen kein Arbeitslosengeld. Sodele…. Ich bin mir sicher, dass du nun verstehst, was Repräsentativitätsheuristik bedeutet.

Traurig aber wahr: Leider ist es so, dass sich Menschen durch Einzelfallinformationen in ihren Urteilen stärker beeinflussen lassen als durch abstrakte Basisraten oder Basiswahrscheinlichkeiten. Und mit den zuletzt genannten hantieren eben die Wissenschaftler und Experten.

Wir Menschen begehen einen Denkfehler nach dem anderen…

Und so streiten sich die Menschen über Sinn und Unsinn der Corona-Maßnahmen und begehen einen menschlichen Denkfehler nach dem anderen. Das eigentlich Schlimme daran ist, dass aufgrund der sich breitmachenden Streßsituationen die Meinung der anderen nicht mehr gehört werden. Mehr noch: sogar niedergemacht werden. Außer dass ich persönlich ein solches Verhalten menschlich total daneben finde, nehmen wir uns dadurch aber auch die Möglichkeit, uns ein umfassenderes Bild zu machen und dadurch besser handeln zu können.

Worauf begründen die Politiker ihre Entscheidungen?

Den Heuristiken gegenüber stehen die sogenannten Entscheidungsstrategien, die auf den Gesetzen der Logik, der Wahrscheinlichkeitsrechnung  (siehe oben Basiswahrscheinlichkeiten) oder der Maximierung des erwarteten Nutzens basieren. Die Experten – also Virologen, Ärzte, Volkswirtschaftler  und noch viele mehr – nutzen solche Entscheidungsstrategien. Und die Politiker lassen sich von solchen Experten beraten. Politiker handeln niemals aufgrund einer Heuristik.

Meine Bitte nun an dich

  1. Überprüfe dich selbst in deinen Argumentationen und mach‘ dich schlau! Hast du einen Fernseh-Beitrag gesehen oder viele verschiedene? Bilde dir deine Meinung auf Grundlage vielfältiger Informationen. Aber Vorsicht! Hier könntest du in die Denkfalle „Validierung“ tappen. Das bedeutet, dass du dir nur Infos anschaust, die deine These untermauern. Besser ist „Falsifizierung“. Bedeutet: Du suchst gezielt nach Informationen, die deine These wiederlegen könnte. So machst du dir nach und nach ein besseres Bild.
  2. Begegne Informationen und Meinungen anderer immer mit dem nötigen Respekt. Das letzte, was wir jetzt noch brauchen können ist eine zerstrittene Bevölkerung. Es sind Sätze wie „Verschiedene Meinungen dürfen nebeneinander stehenbleiben“ , die dir gut aus einer festgelaufenen Diskussion helfen. Jeder Streit kostet emotionale Körnchen. Körnchen, wir alle für andere Dinge benötigen.

So, das war’s für heute.  Behaltet einen kühlen Kopf.  Und vor allem: bleibt gesund!

 

PS: Dieser Blogbeitrag ist ein Anfang. Ganz‘ im Sinne „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ werde ich in den nächsten Tagen immer wieder psychologische Hintergrundinformationen geben.