Hilfe, ich bin ein Hamster!!!

Ich gebe es ja zu. Auch ich war in den letzten Tagen hamstern. Wahrscheinlich habe ich das nur viel unauffälliger gemacht, als die meisten anderen. Ich bin niemals mit einem vollen Einkaufswagen gesehen worden. Aber: ich war definitiv HAMSTERN. Ich bin einfach bei jeder sich bietenden Gelegenheit in einen Supermarkt hinein und habe dort 2 Päckchen Nudeln (oder sonst was) gekauft. Maximal. Immer begleitet mit einem unschuldigen Augenaufschlag und den Worten: „Ich verstehe gar nicht, was die Leute dazu bringt, sich Unmengen an Vorräten zuzulegen.“ ….  Dabei verstehe ich das als Psychologin ja eigentlich nur allzu gut.

Und trotzdem: Noch NIE (!) – noch gar, gar NIE – hatte ich so viele Nudeln im Keller wie heute. Außer damals. Damals, als ich noch mit meinem Mann zusammen war. Damals hatten wir jede Menge Spaghetti zuhause. Ein absolutes Muss für exzessive Radsportbegeisterte. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Kein Sportler, keine Nudeln! Könnte man denken. In Wahrheit ist es aber so, dass ich seit einer Woche still und heimlich unseren Vorratskeller aufgefüllt habe. Also „ja“, ich bin ein Hamster. Quasi ein Psycho-Hamster.

Nun aber mal im Ernst. Warum hamstern Menschen? Wie kommt es dazu?

Hamstern liegt in unserer Natur. Alle, die hamstern, sind also ganz normal. Das hat im wesentlichen mit 2 menschlichen Gehirnstrukturen zu tun.

Zum einen mit dem sogenannten präfrontalen Cortex. Das ist der Teil, der sich quasi „hinter“ der menschlichen Stirn befindet. Dort findet vorausschauendes Denken statt.
Zum anderen findet sich auch eine Antwort in der Amygdala – dem sogenannten Mandelkern. Das ist der Teil in unserem Gehirn, der die Steuerung übernimmt, wenn eine wahrgenommene Bedrohung vorliegt. Noch bevor unser Verstand eine Situation wie die Corona-Krise beurteilen kann, reagiert er blitzschnell. Die Folge bei entsprechender Aktivierung beider Gehirnstrukturen: Hamsterkäufe. Wobei meines Erachtens bei einigen Mitmenschen das „vorausschauende Denken“ nicht weit genug gedacht wird. Was will ich mit 100 Päckchen Nudeln?

Die Amygdala spielt übrigens auch eine wichtige Rolle bei der Abspeicherung traumatischer Erlebnisse. Auch über Generationen hinweg. Tritt eine ähnliche Situation wieder auf, so stößt der Mandelkern Stresshormone aus. Und so kommt es manchmal zu Stressreaktionen, auch wenn keine von Nöten sind. Wie gesagt … Hamsterkäufe.

Und auch die Evolution sah schon immer vor, dass der Mensch vorausschauend denkt und handelt. Wie sonst hätten wir in früheren Zeiten ohne Tiefkühltruhe, Kühlschrank und Heizung die kalten und harten Winter überlebt?

Der gefühlte Kontrollverlust  oder die Frage:
Was passiert, wenn der Mensch sich nicht mehr als Herr der eigenen Lage erlebt?

Es gibt Menschen, die sich keine großen Sorgen machen. Sie sagen Sätze wie: „Das gab es in früheren Zeiten alles schon einmal. Epidemien und Pandemien. Wir sind stark. Wir werden das überleben. Menschen, die resilient sind – sprich widerstandsfähig –  bringt so schnell nichts aus der Ruhe.Nicht einmal die permanenten Hiobs-Botschaften in dieser Corona-Krise. Sie sind Optimisten, wahre Stehaufmännchen. Überlebenskünstler!

Auf der anderen Seite aber gibt es auch selbstverständlich Menschen, die sich der Situation hilflos ausgesetzt fühlen. Und das sind nicht automatisch die „leisen, zurückhaltenden“ Menschen. Hilflosigkeit und Ohnmacht sind Zustände, die nur schwer auszuhalten sind. Nach einer Lösung suchen. Solche Menschen wollen etwas tun, um die Ungewissheit in den Griff zu bekommen. Im Falle der Corona-Krise: kaufen und dadurch vorsorgen. Hamsterkäufe dienen also der Beruhigung. Wir kompensieren unser Ohnmachtsgefühlt und die innere Unruhe. Die Angst, die Ungewissheit. Eben die Unkontrolliertheit der Situation. Hamstern gibt uns ein gutes Gefühl, dass wir alles getan haben, was wir tun konnten. Und das wiederum schenkt uns ein gutes Gefühl!  „… Ich bin nicht hilflos. Ich kann was tun. Handeln. Und vor allem, bin ich nun gegen Corona gewappnet. Kommt nur, ihr Viren, ich bin für den Kampf mit Euch gerüstet mit Nudeln, Toilettenpapier und Desinfektionsmittel“.

Hamstern macht Sinn

Ich persönlich zähle mich eher zu der ersten Sorte. Zu den Optimisten. Zu den Menschen, die sich nicht allzu viele Sorgen machen. Und trotzdem habe ich gehamstert. Und das ist auch gut so. Denn: eine bedachte Vorsorge ist absolut vernünftig. Allerdings sollten wir alle Ruhe bewahren, und uns auf das besinnen, was auch wirklich SINN macht.

Da gehören die gehamsterten Waren sich auch dazu. Allerdings in Maßen. Für maximal 2 Wochen. Wichtiger ist jedoch als der Vorrat im Keller ist das Miteinander. Wenn ich eines Tages sterben sollte, so werde ich bestimmt nicht denken  „Wow, wie cool war das denn, dass ich 1000 Rollen Toilettenpapier im Keller liegen hatte?“. Ich werde eher daran denken, wie schön es geklungen hat, als während der Corona-Krise jeden Abend um Punkt 18.00 Uhr alle Musiker und Nichtmusiker über alle Länder hinweg das Lied „Amazing Grace“ gemeinsam gespielt habe.

Übrigens: ich habe nicht vor an Corona zu sterben. Auch wenn ich zur Risikogruppe gehöre.

Ihr wisst ja…. Ich bin ein Überlebenskünstler!

Bis dahin! Stay save! Bleibt gesund!

Eure Tanja